Das Debattenblog „Immer Mehr?!“ lief einen Sommer lang und versammelte junge, kritische Gedanken zu den Thesen Harald Welzers und zur wieder aufgeflammten Wachstumsdiskussion. Planmäßig werden keine neuen Beiträge erscheinen und die Kommentarfunktion wird abgeschaltet. Doch der Streit über die angesprochenen Fragen geht weiter. Er wurde durch Publikationen (z.B. von Tim Jackson, Harald Welzer), den Attac-Kongress und die vielen neuen Foren des Gedankenaustausches – von der Enquêtekommission des Deutschen Bundestages bis hin zu diesem kleinen Blog – beflügelt und bereichert.
„Immer mehr?!“ schaffte es dabei als m.E. einzige Plattform, dezidiert junge Stimmen zum Thema Wachstum und Lebensstile zu versammeln. Es war sinnvoll, die Debatte am Beitrag Harald Welzers aufzuziehen, bietet er doch ein Verständnis für die Fragen vieler Jugendlicher: warum sind sie und die Welt um sie herum trotz besseren Wissens so sehr auf Akkumulation ausgelegt ist. (more…)
Artikel getagged mit ‘Welzer’
Ende dieses Debattenblogs. Doch ein erster Schritt ist getan.
Kritik an Welzer: Ohne Politik geht auch nix!
Das Essay von Harald Welzer erntete beim Attac-Kongress viel Applaus, auch dafür, dass es „die Politik“ als unzureichend und fehlgeleitet in eine Ecke abschob und mit dem Aufruf zu „jetzt mal Kultur!“ bei vielen linken Seelen die Hoffnung auf eine neue umfassende Strategie zu erwecken schien. So richtig der Ansatz von Welzer ist, die kulturelle Komponente des Wachstumsdilemmas anzugehen, so kritisch finde ich sein dahinter liegendes Politikverständnis. Gerade in einer Demokratie ist Politik immer etwas, das von allen gestaltet wird und nicht eine Sphäre irgendwo da draußen ist.
Das Missverständnis wird gleich zu Beginn des Textes festgeschrieben. (more…)
Lukas Rantzau: Bericht vom Attac Kongress
Vom 20.-22. Mai 2010 fand in Berlin ein großer Kongress zur Wachstumsfrage statt. Diesen hat Attac in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und weiteren politischen Stiftungen (RLS, FES, OBS) organisiert. Wir schickten einige unserer Stipendiat_innen dahin. Hier ein Bericht:
Der von Attac organisierte Kongress unter dem Titel „Jenseits des Wachstums?!“ zog am vergangenen Wochenende vom 20. bis zum 22. Mai zahlreiche Interessierte an die TU Berlin. Die Organisatoren hatten mit etwa 1500 Teilnehmern gerechnet. Am Ende kamen Schätzungen zu Folge 2500 Menschen – obwohl zeitgleich an der Humboldt Universität ein Marx-Kongress stattfand. So war wohl nur das Programmheft noch voller, als die Hörsäle der Universität an der Straße des 17. Juni. (more…)
Max Pichl: Die Revolutionierung des Subjekts
Der Beitrag „Mentale Infrastrukturen“ von Harald Welzer liefert eine ungewöhnlich innovative Perspektive auf die laufende Wachstumsdebatte. Der politische und mediale Mainstream diskutiert die Frage des Wachstums praktisch ausschließlich auf einer technischen Ebene, sprich: welche Technologien müssen eingesetzt werden, um die Energieerzeugung nachhaltiger zu gestalten; wie muss die Politik sich verändern, um das Ziel einer postcarbonen Gesellschaft zu erreichen usw. Welzer wendet sich direkt den Subjekten zu. „Nichts ist niemals fertig, die Arbeit hört niemals auf“ – dieser Satz aus Welzers Essay scheint paradigmatisch für die kapitalistische Gesellschaft zu sein. Kein Wunder, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in der Vergangenheit immer wieder im Zuge von Streiks die Stechuhren zerstörten, sozusagen das Symbol der Kontrolle in der kapitalistischen Produktionsweise. Welzers Essay scheint eine übergeordnete Fragestellung zu beschäftigen: warum vollziehen sich politische Veränderungen in der aktuellen Gesellschaftsformation so schleppend langsam oder kommen erst gar nicht zur Entfaltung? Warum halten die Menschen scheinbar freiwillig an einem offensichtlich gescheiterten Wachstumsparadigma fest? (more…)
David Rinnert: (Selbst-)Zweifel eines Studenten
“[D]as Selbst wird zu einer kontinuierlichen Entwicklungsaufgabe mit festgelegten Stufen und Zielen (…). Jede Station in der Gegenwart ist immer schon putative Durchgangsstation für etwas, was danach kommt. In der Gegenwart ist man daher nicht da, sondern nur auf der Durchreise.”
Während ich diese Zeilen aus Harald Welzers Essay lese, überkommt mich ein beklemmendes Gefühl. Schon zu Beginn des Aufsatzes fühle ich mich direkt angesprochen, sogar ertappt. Viele Bilder aus dem Essay kenne ich aus meinem eigenen Leben, obwohl ich doch eigentlich ein wachstumskritischer Mensch bin, jemand der für eine postkarbone Gesellschaft eintritt. Bin ich doch, oder?! (more…)
Gesine Agena: Wir sind doch die, von denen ihr „die Erde nur geborgt“ habt!
Es ist kein Wunder, dass der Wachstumswahn nicht nur das wirtschaftliche Denken und fast alle politischen Parteiprogramme durchzieht, sondern sich ebenfalls als Paradigma in unserem Denken festgesetzt hat. Schon von Beginn an werden wir mit ihm erzogen und wachsen in einer Gesellschaft auf, in der immer noch das Motto „höher, schneller, weiter“ gilt. Die Verwertungslogik ist allgegenwertig, ganz egal, ob man sich die Schulen oder die Universitäten anschaut. Überall werden Jugendliche dazu angehalten, sich möglichst schnell bestimmtes Wissen anzueignen, das für Unternehmen und das Bruttoinlandsprodukt von Bedeutung ist. Erwartet wird, früh in die Schule zu kommen, nach 12 Jahren Abitur machen, im Bachelor-Master-System innerhalb der Regelstudienzeit die nötigen Creditpoints zu sammeln, um dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Gerade für uns als junge Generation ist der Text von Harald Welzer demnach (more…)
Einleitung zur Debatte
Die Diskussion bringt den Stein ins Rollen
Die Wachstumsdebatte wird derzeit im Land verstärkt geführt und immer öfter finden sich Beiträge rund um dieses Thema auch in Mainstream-Medien. Fast 40 Jahre nach dem legendären Report des Club of Rome zu den „Grenzen des Wachstums“ stellen wir uns mit neuer Dringlichkeit heute fast die gleichen Fragen. Die prognostizierten ökonomischen, ökologischen und sozialen Krisen wie Klimawandel, Ressourcenkonflikte oder die sog. „Bubbles“ (z.B. auf dem Immobilienmarkt) sind eingetreten und verschärfen sich zusehens. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009/2010 hat den globalen Diskurs nachhaltig beeinflusst. Auch wenn die entscheidenden Reformen (noch) ausbleiben, so dürfen die Menschen wieder grundsätzlichere Fragen stellen, ohne ein Kopfschütteln zu ernten. (more…)